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Die Pubertät beim Hund: Eine Zeit der Veränderungen

Aktualisiert: 22. Juni

Die Pubertät ist eine prägende Entwicklungsphase im Leben eines Hundes – körperlich, hormonell, sozial und emotional. Sie beginnt meist zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat, wobei der genaue Zeitpunkt stark von Rasse, Größe und individueller Reife abhängt. Bei kleinen Hunderassen setzt die Pubertät oft früher ein, bei großen oder sehr spät entwickelten Rassen (z. B. Molossern oder Herdenschutzhunden) kann sie sich bis ins zweite Lebensjahr ziehen.

In dieser Phase, die auch als Adoleszenz oder jugendliche Entwicklungszeit bezeichnet wird, durchläuft der Hund ähnliche Prozesse wie ein heranwachsender Mensch: hormonelle Umstellungen, Umstrukturierung im Gehirn, Ablösung von Bezugspersonen und das Austesten von Grenzen.

laufende Hunde

Hormonelle Veränderungen – die biochemische Basis

Mit dem Einsetzen der Pubertät beginnt die Produktion der Geschlechtshormone:

  • Testosteron bei Rüden

  • Östrogen und Progesteron bei Hündinnen

Diese Hormone wirken sich nicht nur auf die Fortpflanzungsfähigkeit, sondern auch auf das Verhalten aus – direkt (z. B. Sexualverhalten) und indirekt über das zentrale Nervensystem.

Typische Veränderungen:


  • Rüden zeigen vermehrt Sexualverhalten wie Aufreiten, Markieren und starkes Interesse an Hündinnen

  • Hündinnen durchlaufen ihre erste Läufigkeit – oft begleitet von Stimmungsschwankungen

  • Beide Geschlechter können empfindlicher, reizbarer und impulsiver reagieren

Gehirnentwicklung – Umbau im „Oberstübchen“

Die Pubertät ist auch eine Phase intensiver neurologischer Reifung. Areale im Gehirn, die für Emotionen, Impulskontrolle und Entscheidungen zuständig sind – insbesondere der präfrontale Cortex – durchlaufen Umbauprozesse.


Das erklärt, warum:

  • der Rückruf plötzlich nicht mehr funktioniert

  • der Hund auf einmal Unsicherheiten zeigt, die vorher nicht da waren

  • Grenzen systematisch getestet werden – nicht aus Trotz, sondern aus Lernmotivation

Diese Zeit ist vergleichbar mit der menschlichen „Sturm-und-Drang-Phase“.

Verhaltensveränderungen – wenn plötzlich alles anders scheint

Verändertes Verhalten in der Pubertät ist kein Zeichen von Ungehorsam, sondern Ausdruck innerer Reifungsprozesse. Häufig beobachtet werden:

  • selektives Hören

  • geringere Kooperationsbereitschaft bei bekannten Übungen

  • schnelle Überforderung oder starke Erregung

  • plötzliches Angstverhalten gegenüber Menschen, Geräuschen oder Gegenständen

  • körperliche Unruhe, Beißlust durch Zahnen und Hormone

In dieser Phase helfen Geduld, Humor und eine stabile Beziehung mehr als jede Kontrolle.

Soziales Verhalten – Interaktionen werden komplexer

Auch das Sozialverhalten verändert sich sichtbar:

  • gleichgeschlechtliche Konfrontationen zwischen Rüden nehmen zu

  • Hündinnen ziehen in der Läufigkeit verstärkt Aufmerksamkeit auf sich

  • Kommunikation mit anderen Hunden wird intensiver und manchmal konfliktreicher

  • viele Hunde entwickeln vorübergehend „Proll-Verhalten“, das sich bei guter Begleitung wieder legt

Soziales Lernen braucht jetzt Geduld, souveräne Führung und manchmal auch Distanz zu bestimmten Hundetypen.

Training und Alltag – warum alles etwas länger dauert

Was vorher zuverlässig klappte, funktioniert jetzt nur noch manchmal – oder gar nicht mehr. Gründe:

  • geringere Konzentrationsfähigkeit

  • stärkere Ablenkung durch Außenreize

  • niedrige Frustrationstoleranz – bei Misserfolg wird schnell gejammert oder gebellt

Wichtige Trainingsprinzipien in dieser Phase:

  • ruhige Konsequenz statt Strenge

  • kurze, häufige Trainingseinheiten

  • positive Verstärkung

  • verlässliche, aber flexible Regeln

Wichtig: Vermeide Überforderung – was der Hund jetzt braucht, ist emotionale Sicherheit.

Kastration – sinnvoll, aber individuell abwägen

Viele Hundehalter denken in der Pubertät über eine Kastration nach – oft, weil das Sexualverhalten belastend wird. Das kann sinnvoll sein, aber:

  • Kastration ersetzt kein Training

  • Sie sollte nicht vorschnell erfolgen – eine zu frühe Kastration kann negative Folgen auf Verhalten und Entwicklung haben

  • Eine chemische Kastration (Hormonchip) bietet eine gute Testmöglichkeit

Besprich solche Entscheidungen immer mit deinem Tierarzt und einem erfahrenen Trainer – individuell, nicht pauschal.

Der Schlüssel: Gelassenheit, Führung und Vertrauen

Die Pubertät ist keine Störung – sie ist ein sinnvoller Entwicklungsschritt. Hunde brauchen jetzt:

  • einen verlässlichen Menschen mit Ruhe und Humor

  • klare, positive Lernerfahrungen

  • Kontakte zu gut sozialisierten Hunden

  • Möglichkeiten zur Selbstwirksamkeit (z. B. Nasenarbeit, Freiläufe)

Nur wer durch diese Phase hindurch begleitet – statt sie „durchdrücken“ zu wollen –, hilft dem Hund, zu einem stabilen erwachsenen Tier heranzureifen.

Fazit: Die Pubertät ist eine Chance zur Reifung

Die Pubertät gehört zum Erwachsenwerden – mit allen Höhen und Tiefen. Sie bringt Herausforderungen, aber auch Chancen. Wer seinen Hund jetzt liebevoll, ruhig und klar begleitet, fördert Selbstvertrauen, Bindung und soziale Kompetenz. Ja, es kann anstrengend sein – aber es lohnt sich: Aus einem pubertierenden Junghund wird ein verlässlicher, selbstsicherer Begleiter fürs Leben.

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