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Gefahren von Erziehungsgeschirren mit Zugwirkung bei Hunden


Erziehungsgeschirre mit Zugwirkung werden oft als schnelle Lösung für Hunde angeboten, die stark an der Leine ziehen. Sie funktionieren nach dem Prinzip, dass sich das Geschirr bei Zug zusammenzieht oder Druck auf bestimmte Körperstellen ausübt. Dies soll das Ziehen unangenehm machen und den Hund dazu bringen, lockerer an der Leine zu gehen. Doch was zunächst praktisch erscheint, birgt erhebliche Risiken – sowohl für die physische als auch für die psychische Gesundheit des Hundes. In diesem Artikel werden die wichtigsten Gefahren solcher Geschirre erläutert und alternative Trainingsansätze vorgestellt.
1. Körperliche Risiken
  • Druck auf empfindliche Körperbereiche: Viele Erziehungsgeschirre mit Zugwirkung üben Druck auf die Brust, die Schultern oder die Achseln des Hundes aus. Diese Bereiche sind empfindlich und nicht darauf ausgelegt, permanentem Zug oder punktuellem Druck ausgesetzt zu sein. Dies kann zu Verspannungen, Schmerzen oder sogar langfristigen orthopädischen Problemen führen.
  • Einschränkung der Atmung: Je nach Bauweise kann ein solches Geschirr die Rippen oder den Brustkorb zusammenziehen. Besonders bei kleinen, empfindlichen oder brachyzephalen (kurznasigen) Hunderassen kann dies die Atmung beeinträchtigen und zu Atemnot führen. Auch größere Hunde können in ihrer Atmung eingeschränkt sein, was besonders problematisch ist, wenn sie sich zusätzlich in einem erregten oder gestressten Zustand befinden.
  • Hautirritationen und Fellbruch: Durch das ständige Anziehen und Lösen der Zugmechanik kann das Fell an den betroffenen Stellen abgerieben oder gebrochen werden. Auch Hautreizungen, Druckstellen oder sogar wunde Stellen sind mögliche Folgen. Besonders betroffen sind Hunde mit empfindlicher Haut oder wenig Unterfell.
2. Psychische Auswirkungen
  • Unsicherheit und Angst: Das plötzliche Einwirken von Druck kann für manche Hunde überraschend und unangenehm sein. Anstatt das Verhalten zu ändern, reagieren sie möglicherweise mit Unsicherheit oder Angst. In extremen Fällen kann das Geschirr sogar zu einem generellen Misstrauen gegenüber dem Spaziergang oder dem Halter führen.
  • Vermeidungsverhalten statt Lernen: Viele Hunde lernen durch Erziehungsgeschirre nicht, wie sie sich an der Leine korrekt verhalten sollen, sondern lediglich, wie sie das unangenehme Gefühl vermeiden können. Dies führt oft nicht zu einem nachhaltigen Lernerfolg, sondern dazu, dass sich das Problemverhalten in anderer Form zeigt – zum Beispiel durch Hüpfen, Drehen oder ruckartiges Stoppen.
  • Erhöhte Stressreaktionen: Ein Hund, der regelmäßig unangenehmen Druck erfährt, kann eine erhöhte Stressreaktion entwickeln. Der Cortisolspiegel steigt an, was zu weiteren unerwünschten Verhaltensweisen führen kann. Ein Hund, der ständig unter Stress steht, zeigt oft gesteigerte Reaktivität, Nervosität oder sogar Aggression.
3. Fehlende Nachhaltigkeit im Training
  • Bekämpfung von Symptomen statt Ursachen: Erziehungsgeschirre mit Zugwirkung greifen nur das Symptom (das Ziehen) an, nicht aber die eigentliche Ursache. Ein Hund zieht meist aus bestimmten Gründen: Er ist aufgeregt, hat eine hohe Erwartungshaltung oder wurde einfach nie korrekt auf das Laufen an lockerer Leine trainiert. Das Problem lässt sich nicht lösen, indem man dem Hund kurzfristig das Ziehen unangenehm macht, sondern nur durch gezieltes, nachhaltiges Training.
  • Gewöhnungseffekt: Viele Hunde gewöhnen sich nach einiger Zeit an den unangenehmen Druck des Geschirrs und ziehen trotzdem weiter. In solchen Fällen müssen Halter entweder stärkere Reize einsetzen (was ethisch fragwürdig ist) oder doch auf ein anderes Training umsteigen.
  • Fehlende Übertragbarkeit: Hunde, die nur durch das Geschirr daran gehindert werden zu ziehen, zeigen oft wieder ihr altes Verhalten, sobald das Geschirr entfernt wird. Das liegt daran, dass kein echtes Training stattgefunden hat, sondern nur eine mechanische Begrenzung.
4. Risiko von Fehlverknüpfungen
  • Negative Assoziationen mit Umweltreizen: Wenn ein Hund beim Ziehen plötzlich unangenehmen Druck verspürt, kann er diesen negativen Reiz mit seiner Umgebung verknüpfen. Läuft er beispielsweise auf einen anderen Hund zu und spürt dabei das unangenehme Gefühl des Geschirrs, könnte er den anderen Hund als Ursache des Unwohlseins betrachten. Dies kann zu Angstverhalten oder sogar Aggression gegenüber Artgenossen führen.
  • Verstärkung von Problemverhalten: Besonders bei reaktiven Hunden kann ein unangenehmer Druck die Erregung weiter steigern. Statt sich zu beruhigen, reagiert der Hund möglicherweise mit noch mehr Anspannung oder Frust. Dadurch kann sich das ursprüngliche Problem (z. B. Leinenaggression) noch verstärken.
5. Tierschutzrechtliche Auflagen In Deutschland regelt das Tierschutzgesetz (§ 3) die Verwendung von Hilfsmitteln, die einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen können. Erziehungsgeschirre mit Zugwirkung fallen unter die Kategorie der tierschutzrelevanten Hilfsmittel, wenn sie beim Hund Schmerzen oder erhebliche Einschränkungen verursachen.
  • Verbot von tierschutzwidrigen Hilfsmitteln: Laut § 3 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen oder Leiden zuzufügen. Ein Erziehungsgeschirr, das dauerhaft unangenehmen Druck ausübt, kann unter dieses Verbot fallen, insbesondere wenn es zu Verletzungen oder Stressreaktionen führt.
  • Kontrolle durch Veterinärämter: Veterinärämter haben die Aufgabe, den Einsatz von tierschutzrelevanten Hilfsmitteln zu überprüfen. Falls der Verdacht besteht, dass ein Hund durch ein Erziehungsgeschirr mit Zugwirkung Schmerzen oder erhebliche Einschränkungen erfährt, können sie Maßnahmen ergreifen. In gewerblichen Hundeschulen und bei professionellen Trainern unterliegt der Einsatz solcher Hilfsmittel einer besonders kritischen Prüfung. Hundeschulen und Vereine, die solche Hilfsmittel einsetzen, zeigen damit oft, dass ihre Trainer unzureichend ausgebildet sind und keine alternativen, gewaltfreien Trainingsmethoden kennen. Bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz können Behörden die Nutzung untersagen oder Sanktionen verhängen. Dies dient dem Schutz der Hunde und der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen.
5. Sinnvolle Alternativen
  • Brustgeschirre ohne Zugwirkung: Ein gut sitzendes Brustgeschirr ohne zuziehende Mechanik ist eine sichere Alternative. Es verteilt den Druck gleichmäßig und schränkt den Hund in seiner natürlichen Bewegung nicht ein.
  • Leinenführigkeitstraining: Statt auf mechanische Hilfsmittel zu setzen, ist es nachhaltiger, den Hund durch gezieltes Training zur lockeren Leinenführung zu motivieren. Methoden wie Belohnung bei lockerer Leine, Richtungswechsel oder das Training mit Markersignalen sind bewährte Strategien.
  • Target-Training zur besseren Orientierung am Halter: Hunde, die lernen, sich bewusst am Halter zu orientieren (z. B. durch Handtargets oder gezieltes Aufmerksamkeitstraining), ziehen oft weniger an der Leine, da sie von sich aus auf die Führung des Menschen achten.
  • Impulskontroll-Übungen: Wenn das Ziehen aus Frust oder Ungeduld resultiert, helfen gezielte Impulskontroll-Übungen. Dazu gehören z. B. das kontrollierte Warten an Türen, Sitz-Übungen an der Leine oder das Belohnen von ruhigem Verhalten.
Fazit
Erziehungsgeschirre mit Zugwirkung erscheinen auf den ersten Blick als schnelle Lösung für das Problem des Leinenziehens. Doch sie bringen erhebliche gesundheitliche und verhaltensbezogene Risiken mit sich. Statt auf mechanische Einwirkung zu setzen, sollten Halter auf eine nachhaltige Erziehung mit positiven Trainingsmethoden setzen. Langfristig führt dies nicht nur zu einem entspannteren Spaziergang, sondern auch zu einer besseren Beziehung zwischen Hund und Mensch.

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