Hunde als Schmerzhelfer: Wenn tierische Nähe Leiden lindert
- Hundeschule unterHUNDs
- 8. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Wie Hunde Schmerzen messbar reduzieren können – ein Blick auf aktuelle Forschung
Mehr als nur Seelentröster
Hunde gelten seit jeher als treue Begleiter, emotionale Unterstützer und nicht selten als „beste Freunde des Menschen“. Doch ihre Fähigkeiten scheinen noch weit über das hinauszugehen, was wir bislang angenommen haben. Eine aktuelle Studie der Humboldt-Universität zu Berlin, veröffentlicht im September 2024, hat wissenschaftlich belegt: Hunde können nicht nur emotionalen Beistand leisten, sondern auch nachweislich die Schmerzempfindung von Menschen senken.
Diese Erkenntnis rückt Hunde in ein völlig neues Licht – nicht nur als liebevolle Haustiere, sondern auch als potenzielle Partner in der medizinischen Schmerztherapie.
Die Forschungsfrage: Wie beeinflusst tierische Nähe die menschliche Schmerzverarbeitung?
Die Studie wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Ursula Hess am Institut für Psychologie durchgeführt. Die zentrale Fragestellung lautete:
Beeinflusst die Anwesenheit eines Hundes – bekannt oder unbekannt – das subjektive Schmerzempfinden und die physiologische Stressreaktion eines Menschen?
Die Hypothese: Hunde bieten eine Art der sozialen Unterstützung, die durch ihre nicht-wertende, beruhigende Anwesenheit eine stärkere Wirkung auf die Schmerzverarbeitung entfalten kann als menschliche Begleiter.
Studiendesign: Cold Pressor Test als objektiver Maßstab
Um die Hypothese zu testen, setzten die Forschenden auf einen bewährten Schmerz-Reiz: den sogenannten „Cold Pressor Test“. Dabei tauchen die Proband:innen ihre Hand in eiskaltes Wasser (1–3°C), was nach wenigen Sekunden deutliche Schmerzreize auslöst. Die Dauer, die eine Person diesen Reiz aushält, sowie ihre subjektive Bewertung des Schmerzes gelten als valide Parameter für Schmerzempfindung und Schmerzbewältigung.
Zwei Versuchsreihen mit unterschiedlichen Begleitpersonen:
Versuchsreihe 1: Die Teilnehmenden führten den Test in Begleitung von ihrem eigenen Hund, einer gleichgeschlechtlichen befreundeten Person oder allein durch.
Versuchsreihe 2: Hier wurden die Proband:innen von einem unbekannten Hund, einem unbekannten Menschen oder ebenfalls allein begleitet.
Zusätzlich wurde kontinuierlich die physiologische Stressantwort (z. B. Herzfrequenz, Hautleitwert) gemessen – ein objektiver Indikator für das innere Erregungsniveau und Stressverarbeitung.
Die Ergebnisse: Hunde verändern Schmerzwahrnehmung auf mehreren Ebenen
1. Eigener Hund lindert Schmerzen deutlich
Die erste Versuchsreihe zeigte:
Die Anwesenheit des eigenen Hundes führte zu einer signifikanten Reduktion der subjektiv wahrgenommenen Schmerzintensität, einer längeren Toleranzdauer im eiskalten Wasser sowie einer deutlich abgeschwächten physiologischen Stressreaktion.
Der Vergleich zur Begleitung durch einen Freund oder zur Alleinsituation war eindeutig: Der Hund schnitt in allen Punkten besser ab. Freund:innen hatten hingegen keinen messbaren positiven Effekt auf Schmerz und Stress.
2. Auch fremde Hunde wirken schmerzlindernd – abhängig von der Einstellung der Testpersonen
Interessanterweise zeigte sich in der zweiten Versuchsreihe, dass auch ein unbekannter Hund positive Effekte hatte – allerdings in abgeschwächter Form. Besonders bei Teilnehmenden, die eine positive Grundeinstellung gegenüber Hunden hatten, konnte ebenfalls eine messbare Schmerzreduktion und Stressminderung festgestellt werden.
Unbekannte Menschen als Begleitung hatten – ähnlich wie in der ersten Versuchsreihe – keinen signifikanten Einfluss auf die Schmerzverarbeitung.
Interpretation: Warum sind Hunde als Schmerzhelfer so effektiv?
Die Forschenden führen den Effekt auf mehrere Faktoren zurück:
1. Nonverbale, urteilsfreie Präsenz
Hunde kommunizieren über Körpersprache, Gesten und Blickkontakt – ganz ohne Worte und Wertung. Diese nonverbale Akzeptanz schafft ein Gefühl von Sicherheit, das gerade in schmerzhaften oder belastenden Momenten eine beruhigende Wirkung entfaltet.
2. Positive Assoziationen und biochemische Effekte
Der Körper reagiert auf die Nähe zu Hunden mit einer Ausschüttung von Oxytocin – dem sogenannten Kuschelhormon –, das Stress reduziert und die Schmerzwahrnehmung dämpfen kann. Gleichzeitig wird der Cortisolspiegel gesenkt, was den physiologischen Stress abbaut.
3. Gefühl von Kontrolle und Vertrauen
Viele Menschen erleben mit ihrem Hund eine Art partnerschaftliche Beziehung, in der sie sich verstanden fühlen. Dieses Vertrauen kann dazu führen, dass man sich eher auf belastende Situationen einlässt, weil man sich innerlich gestützt fühlt.
Bedeutung für die Schmerztherapie und klinische Praxis
Diese Ergebnisse liefern weit mehr als einen interessanten Nebenaspekt der Mensch-Tier-Beziehung. Sie bieten eine wissenschaftliche Grundlage für tiergestützte Interventionen in der Schmerztherapie:
Mögliche Anwendungsfelder:
Kliniken und Rehabilitationszentren: Therapiehunde könnten eingesetzt werden, um Patient:innen z. B. nach Operationen emotional zu unterstützen und den Bedarf an Schmerzmitteln zu senken.
Palliativmedizin: In der Sterbebegleitung können Hunde Trost und Entspannung bieten – eine Rolle, die bereits heute in vielen Einrichtungen beobachtet, aber nun auch fundiert belegt wird.
Chronische Schmerzpatienten: Gerade bei langfristigen Erkrankungen, bei denen soziale Isolation und psychische Belastung eine Rolle spielen, könnten Hunde helfen, eine ganzheitliche Besserung zu erzielen.
Psychosomatik und PTBS: Die beruhigende, angstlösende Wirkung der Tiere kann auch hier zur Schmerzverarbeitung und Stressreduktion beitragen.
Kritische Betrachtung: Grenzen und Voraussetzungen
Natürlich ersetzt ein Hund keine medizinische Behandlung. Auch die Wirksamkeit hängt stark von individuellen Faktoren ab – etwa der Hundeerfahrung der betroffenen Person, der Art des Hundes, und der bestehenden Beziehung.
Zudem stellt sich die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit: Nicht jeder Mensch kann oder will einen eigenen Hund halten. Daher sind qualifizierte Therapiehunde-Teams besonders gefragt.
Auch ethische Aspekte – etwa der Schutz der eingesetzten Hunde vor Überforderung – müssen in professionellen Settings berücksichtigt werden.
Der beste Freund des Menschen – auch bei Schmerz
Die Studie der Humboldt-Universität zu Berlin zeigt eindrucksvoll:
Hunde sind nicht nur emotionale Stütze, sondern auch nachweislich Schmerzhelfer.
Sie wirken auf mehreren Ebenen – emotional, physiologisch, biochemisch – und bieten ein einzigartiges Potenzial für eine ganzheitliche Schmerzbegleitung. Ob im Klinikalltag, im Pflegeheim oder zu Hause: Die Verbindung zwischen Mensch und Hund ist nicht nur wohltuend, sondern heilend.
Quellen:
Humboldt-Universität zu Berlin