Training ohne Leckerli – sinnvoll oder sabotierend?
- Hundeschule unterHUNDs
- 24. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Zwischen Anspruch und Realität im Hundetraining
„Ich möchte, dass mein Hund für mich arbeitet – nicht fürs Futter!“
„Wenn ich ihm immer ein Leckerli geben muss, macht er es doch nur wegen der Belohnung.“
„Ein Hund soll doch einfach hören – auch ohne Bestechung!“
Solche Aussagen hört man häufig von Hundebesitzern. Die Idee: Wer mit Futter arbeitet, macht sich abhängig davon – und erzieht keinen wirklich zuverlässigen Hund. Aber was steckt wirklich dahinter? Ist Training ohne Leckerli ein legitimer Weg oder in Wahrheit eine stille Sabotage des Lernprozesses?
🎯 Worum geht es im Hundetraining eigentlich?
Hundetraining basiert auf Lernen durch Konsequenzen. Und dabei gilt aus verhaltensbiologischer Sicht:
Verhalten, das sich lohnt, wird häufiger gezeigt.
Verhalten, das sich nicht lohnt, wird seltener gezeigt oder verschwindet.
„Lohnen“ kann vieles bedeuten: ein Leckerli, ein Spiel, ein Blick, eine Berührung – oder auch das Öffnen einer Tür, das Freigeben in den Freilauf oder das Ende einer unangenehmen Situation. All das sind Verstärker – sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten erneut gezeigt wird.
Das heißt: Auch wer ohne Futter arbeitet, trainiert nicht automatisch „ohne Belohnung“ – sondern vielleicht mit einer anderen Form von Verstärkung.
🍖 Warum Leckerli im Training sinnvoll sind
Leckerli sind im Training nicht einfach „Bestechung“, sondern eine hochgradig effektive, präzise und vielseitige Verstärkung. Sie haben klare Vorteile:
Hoher Motivationswert: Futter wirkt direkt auf das Belohnungssystem im Gehirn.
Schnell und präzise einsetzbar: Ein Leckerli kann exakt auf das gewünschte Verhalten folgen – wichtig für das Lernen.
Geringe Ablenkung: Im Gegensatz zu Ballspiel oder Körperkontakt bleibt die Konzentration eher beim Menschen.
Flexibel dosierbar: Die Belohnung lässt sich individuell anpassen – von Jackpot bis Mini-Bestätigung.
Gerade im Aufbau neuer Signale oder beim Training unter Ablenkung ist das ein riesiger Vorteil.
❌ Was passiert, wenn man ohne Leckerli (und ohne Alternativen) trainiert?
Wer bewusst auf Leckerli und gleichzeitig auf andere Belohnungen verzichtet, riskiert:
fehlende Motivation
langsames oder gar kein Lernverhalten
Verlust an Freude und Kooperationsbereitschaft
Verstärkung von Frust oder Meideverhalten
Schlimmer noch: Wenn positive Verstärkung ausbleibt, besteht die Gefahr, dass stattdessen negative Konsequenzen (Druck, Lautstärke, körperliche Korrektur) zum Einsatz kommen – bewusst oder unbewusst. Das schadet der Mensch-Hund-Beziehung und kann langfristig zu Unsicherheit oder Angst führen.
🧠 Wissenschaftlich fundiert: Wie Lernen funktioniert
Moderne Lerntheorie (u. a. Skinner, Thorndike, Pavlov) basiert auf folgenden Prinzipien:
Positive Verstärkung: Verhalten nimmt zu, wenn etwas Angenehmes folgt (z. B. Futter, Spiel, Nähe).
Negative Verstärkung: Verhalten nimmt zu, wenn etwas Unangenehmes aufhört (z. B. Leine lockert sich).
Positive Strafe: Verhalten nimmt ab, wenn etwas Unangenehmes folgt (z. B. Schreck, Korrektur).
Negative Strafe: Verhalten nimmt ab, wenn etwas Angenehmes weggenommen wird (z. B. Spielabbruch).
Training ohne Belohnung läuft Gefahr, in Richtung Strafe zu kippen – selbst wenn das nicht gewollt ist. Dabei ist längst belegt:
👉 Hunde lernen schneller, sicherer und stressfreier, wenn sie belohnungsbasiert trainiert werden.
🔁 Alternativen zum Leckerli – Was funktioniert sonst?
Nicht jeder Hund reagiert gleich stark auf Futter. Manche mögen es nicht, sind mäkelig oder durch Aufregung blockiert. Dann sind Alternativen wichtig:
Belohnungsform | Beispiele | Ideal für Hunde, die… |
Spiel | Zergeln, Apportieren, Rennen | aktiv, verspielt, bewegungsfreudig |
Soziale Nähe | Streicheln, verbales Lob, Blickkontakt | menschenbezogen, sensibel, ruhig |
Umweltkontrolle | „Jetzt darfst du schnüffeln“, „Tür geht auf“ | umweltinteressiert, jagdlich, selbstständig |
Bewegungsfreiheit | Freilauf, Buddeln erlauben | unternehmungslustig, unabhängig |
Erfolgserlebnis | Problem lösen dürfen, Ziel erreichen | intelligent, lernfreudig, selbstwirksam |
➡️ Wichtig: Die Belohnung muss für den jeweiligen Hund subjektiv wertvoll sein – nicht für uns als Halter.
📍 Praxisbeispiel: Ein Sitz ohne Leckerli?
Stell dir vor, du möchtest einem Hund beibringen, sich auf dein Signal hin zu setzen – ohne Futter.
Möglichkeiten:
Du sagst „Sitz“, der Hund macht es zufällig richtig – und du lässt ihn sofort freilaufen (Umweltbelohnung).
Du sagst „Sitz“, der Hund setzt sich – und du spielst kurz mit ihm.
Du sagst „Sitz“, der Hund bleibt sitzen – die Tür geht auf und er darf nach draußen.
➡️ Du brauchst eine Belohnung, die für deinen Hund relevant ist – sonst lernt er nichts oder wird frustriert.
🛑 Häufige Missverständnisse
Aussage | Realität |
„Mit Leckerli wird der Hund bestochen.“ | Nein – er wird motiviert. Bestechung wäre: Leckerli zeigen vor dem Verhalten. |
„Ohne Futter ist er ehrlicher.“ | Nein – ohne Belohnung verliert er nur schneller die Lust. |
„Der soll das für mich machen, nicht fürs Futter.“ | Auch du bist ein Verstärker – wenn du für deinen Hund belohnend bist. |