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Training ohne Leckerli – sinnvoll oder sabotierend?

Zwischen Anspruch und Realität im Hundetraining
„Ich möchte, dass mein Hund für mich arbeitet – nicht fürs Futter!“ „Wenn ich ihm immer ein Leckerli geben muss, macht er es doch nur wegen der Belohnung.“ „Ein Hund soll doch einfach hören – auch ohne Bestechung!“
Solche Aussagen hört man häufig von Hundebesitzern. Die Idee: Wer mit Futter arbeitet, macht sich abhängig davon – und erzieht keinen wirklich zuverlässigen Hund. Aber was steckt wirklich dahinter? Ist Training ohne Leckerli ein legitimer Weg oder in Wahrheit eine stille Sabotage des Lernprozesses?
🎯 Worum geht es im Hundetraining eigentlich?
Hundetraining basiert auf Lernen durch Konsequenzen. Und dabei gilt aus verhaltensbiologischer Sicht:
  • Verhalten, das sich lohnt, wird häufiger gezeigt.
  • Verhalten, das sich nicht lohnt, wird seltener gezeigt oder verschwindet.
„Lohnen“ kann vieles bedeuten: ein Leckerli, ein Spiel, ein Blick, eine Berührung – oder auch das Öffnen einer Tür, das Freigeben in den Freilauf oder das Ende einer unangenehmen Situation. All das sind Verstärker – sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten erneut gezeigt wird.
Das heißt: Auch wer ohne Futter arbeitet, trainiert nicht automatisch „ohne Belohnung“ – sondern vielleicht mit einer anderen Form von Verstärkung.
🍖 Warum Leckerli im Training sinnvoll sind
Leckerli sind im Training nicht einfach „Bestechung“, sondern eine hochgradig effektive, präzise und vielseitige Verstärkung. Sie haben klare Vorteile:
  • Hoher Motivationswert: Futter wirkt direkt auf das Belohnungssystem im Gehirn.
  • Schnell und präzise einsetzbar: Ein Leckerli kann exakt auf das gewünschte Verhalten folgen – wichtig für das Lernen.
  • Geringe Ablenkung: Im Gegensatz zu Ballspiel oder Körperkontakt bleibt die Konzentration eher beim Menschen.
  • Flexibel dosierbar: Die Belohnung lässt sich individuell anpassen – von Jackpot bis Mini-Bestätigung.
Gerade im Aufbau neuer Signale oder beim Training unter Ablenkung ist das ein riesiger Vorteil.


❌ Was passiert, wenn man ohne Leckerli (und ohne Alternativen) trainiert?

Wer bewusst auf Leckerli und gleichzeitig auf andere Belohnungen verzichtet, riskiert:

  • fehlende Motivation
  • langsames oder gar kein Lernverhalten
  • Verlust an Freude und Kooperationsbereitschaft
  • Verstärkung von Frust oder Meideverhalten

Schlimmer noch: Wenn positive Verstärkung ausbleibt, besteht die Gefahr, dass stattdessen negative Konsequenzen (Druck, Lautstärke, körperliche Korrektur) zum Einsatz kommen – bewusst oder unbewusst. Das schadet der Mensch-Hund-Beziehung und kann langfristig zu Unsicherheit oder Angst führen.
🧠 Wissenschaftlich fundiert: Wie Lernen funktioniert
Moderne Lerntheorie (u. a. Skinner, Thorndike, Pavlov) basiert auf folgenden Prinzipien:
  • Positive Verstärkung: Verhalten nimmt zu, wenn etwas Angenehmes folgt (z. B. Futter, Spiel, Nähe).
  • Negative Verstärkung: Verhalten nimmt zu, wenn etwas Unangenehmes aufhört (z. B. Leine lockert sich).
  • Positive Strafe: Verhalten nimmt ab, wenn etwas Unangenehmes folgt (z. B. Schreck, Korrektur).
  • Negative Strafe: Verhalten nimmt ab, wenn etwas Angenehmes weggenommen wird (z. B. Spielabbruch).
Training ohne Belohnung läuft Gefahr, in Richtung Strafe zu kippen – selbst wenn das nicht gewollt ist. Dabei ist längst belegt: 👉 Hunde lernen schneller, sicherer und stressfreier, wenn sie belohnungsbasiert trainiert werden.
🔁 Alternativen zum Leckerli – Was funktioniert sonst?
Nicht jeder Hund reagiert gleich stark auf Futter. Manche mögen es nicht, sind mäkelig oder durch Aufregung blockiert. Dann sind Alternativen wichtig:
Belohnungsform
Beispiele
Ideal für Hunde, die…
Spiel
Zergeln, Apportieren, Rennen
aktiv, verspielt, bewegungsfreudig
Soziale Nähe
Streicheln, verbales Lob, Blickkontakt
menschenbezogen, sensibel, ruhig
Umweltkontrolle
„Jetzt darfst du schnüffeln“, „Tür geht auf“
umweltinteressiert, jagdlich, selbstständig
Bewegungsfreiheit
Freilauf, Buddeln erlauben
unternehmungslustig, unabhängig
Erfolgserlebnis
Problem lösen dürfen, Ziel erreichen
intelligent, lernfreudig, selbstwirksam
➡️ Wichtig: Die Belohnung muss für den jeweiligen Hund subjektiv wertvoll sein – nicht für uns als Halter.
📍 Praxisbeispiel: Ein Sitz ohne Leckerli?
Stell dir vor, du möchtest einem Hund beibringen, sich auf dein Signal hin zu setzen – ohne Futter.
Möglichkeiten:
  • Du sagst „Sitz“, der Hund macht es zufällig richtig – und du lässt ihn sofort freilaufen (Umweltbelohnung).
  • Du sagst „Sitz“, der Hund setzt sich – und du spielst kurz mit ihm.
  • Du sagst „Sitz“, der Hund bleibt sitzen – die Tür geht auf und er darf nach draußen.
➡️ Du brauchst eine Belohnung, die für deinen Hund relevant ist – sonst lernt er nichts oder wird frustriert.
🛑 Häufige Missverständnisse
Aussage
Realität
„Mit Leckerli wird der Hund bestochen.“
Nein – er wird motiviert. Bestechung wäre: Leckerli zeigen vor dem Verhalten.
„Ohne Futter ist er ehrlicher.“
Nein – ohne Belohnung verliert er nur schneller die Lust.
„Der soll das für mich machen, nicht fürs Futter.“
Auch du bist ein Verstärker – wenn du für deinen Hund belohnend bist.
📌 Fazit: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Training ohne Leckerli kann funktionieren – aber nur, wenn du bewusst mit anderen Belohnungsformen arbeitest. Wer ohne jede Form von Verstärkung trainiert, sabotiert nicht nur das Training, sondern auch die Beziehung zum Hund.
Der Schlüssel liegt wie so oft nicht im Entweder-oder, sondern im klugen Sowohl-als-auch: Ein zielgerichteter Wechsel zwischen Futter, Spiel, Nähe, Bewegung und Freiheit macht dein Training nachhaltig, individuell und freudebasiert.
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